Der letzte Spargel

Gier, Leidenschaft und Mord! Kriminelle Energie, verkommene Moral und die Eleganz eines alabasterfarbigen Gemüses sind die lebhaften Gegensätze in dem Kriminalroman „Der letzte Spargel“ von Alexa Rudolph.
Wie alle menschlichen Untugenden ist die Gier universell und zeitlos. Führt sie zu Mord, ist das Stochern in den menschlichen Abgründen im feudalen Grandhotel ebenso unerfreulich wie anderswo. Eine Witwe, wohlhabend und in fortgeschrittenem Alter, liegt brutal erschlagen in ihrer Wohnung. Der Genuss, der von ihr liebevoll zubereiteten Spargelmahlzeit, bleibt ihr leider verwehrt. Ihr Mörder macht sich darüber her. Und Hauptkommissar Poensgen, der unkonventionelle Ermittler im Rollstuhl, macht sich an die Ermittlungsarbeit.
Die Erkenntnis, dass es das Leben ist, das uns umbringt und nicht der Tod, und dass alte Damen vielleicht gar nicht so harmlos sind, wie sie aussehen, lassen Poensgen nach einigen brandgefährlichen Situationen, in die ihn seine Gegner stolpern lassen, mit professioneller Gelassenheit Licht in die Abgründe bringen. Ein Roman, der Krimiliebhabern und Feinschmeckern genüsslich auf der Zunge zergehen wird.
(288 Seiten, Februar 2018,Verlag emons, Kriminalroman, ISBN: 978-3740802769)

Leseprobe:

Mein Gott, was ist mit der Zunge?, denkt er und schaut ihr prüfend wie ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt in den Mund. Olgas Zunge scheint gewachsen zu sein, so sehr viel länger als sonst kommt sie ihm vor. Gewachsen und dann nach hinten weggeklappt, mit einer Rolle rückwärts im Schlund verschwunden. »Olgalein, du bist an deiner eigenen Zunge erstickt«, stöhnt er, noch außer Atem vom Kampf mit ihr. Gleichzeitig empfindet er eine neue, ungewohnte Ruhe und auch Entlastung. Ja, nicht am Kissen, sondern an der Zunge, ihrer boshaften Zunge, die sie nicht still halten konnte, ist sie … Er nickt mehrmals heftig mit dem Kopf, um sich selbst zu bestätigen. Endlich streckt er sich und atmet durch. Er schmeckt die Zimmerluft, die ihm viel weniger krank und feucht vorkommt als zuvor. Galuppi steht noch eine Weile an Olgas Bett. Endlich beugt er sich wieder über die Tote und schließt ihr die Augen. Als er auch ihren Mund zuzudrücken versucht, muss er erkennen, dass dieser immer wieder aufklappt.
»Gut, dann eben anders«, flüstert er. Den Nachttisch absuchend, entscheidet er sich für eine Serviette, die voller Obstflecke ist, aber die richtige Größe zu haben scheint. Er faltet das Quadrat zu einem Dreieck, schlingt es um Olgas Kopf und Kinn. Als Ober- und Unterkiefer zusammenklappen, knackt es.

Anmerkung der Autorin:

„Kulinarisch gesehen lebe ich in einer der schmackhaftesten Ecken der Republik. Im Badischen versteht man viel von guter Küche. Kochen und Essen sind Teil unserer Kultur. Also gönne ich auch den unanständigsten Personen in meinen Geschichten hin und wieder eine Pause und ein feines Menü. Das schafft automatisch Raum für Dialoge. Oder für Stille. Im Spargelkrimi wird durch das trostlose Alleinsein am kleinen Tisch in der Küche, mit dem Fenster zum Hof und der abwaschbaren Tischdecke, die Tragödie einer Vereinsamung sichtbar. In ihrem Wohnzimmer hingegen hat die alte Dame eine feudale Tafel gedeckt, an der niemand mehr sitzen wird, sozusagen eine Erinnerungstafel an bessere Zeiten. Es gab zwar noch mal eine Affäre in ihrem Leben, aber inzwischen lebt die Frau allein. Gerade als sie ihren liebevoll zubereiteten Spargel essen will, wird sie umgebracht. Nach der abscheulichen Tat setzt sich der Mörder in die Küche und verspeist in aller Ruhe das zurückgelassene Menü. Widerlich, aber verständlich. So eine Köstlichkeit kippt man doch nicht einfach ins Spülwasser! Essen und Trinken werden auch in meinem nächsten Roman eine Rolle spielen. Eine helle, perfekt aufgeschlagene Buttersoße, zum Spargel gereicht, kann tödlich sein.“