Macht & Wort
Die Macht der Sprache – Sprache der Macht
ist Ende 2021 im Hirnkost Verlag Berlin, ISBN 978-3-949452-19-2 erschienen.
Hrsg. H.J. Kugler und René Moreau.
352 Seiten, Hardcover mit Lesebändchen, Anthologie, namhafte Autoren, 28.- Euro
Darin: „Rede an die Waldameisen“, von Alexa Rudolph
Begleittext zum Buch: Orwells Neusprech ist längst in Politik und Wirtschaft angekommen. »Alexa« hat für alles und jeden ein offenes Ohr. Satire darf alles – aber muss sie das auch?
Wer das Wort führt, führt auch Menschen, übt Macht aus. Das Verhältnis von Sprache und Macht ist unabhängig voneinander nicht zu denken. Die Sprache bestimmt unser Denken, und gleichzeitig sind wir es, die unsere Sprache bestimmen. Das wirft Fragen auf. Wer hat in Zukunft das Sagen? Und mit welchen Mitteln werden sich diejenigen ausdrücken, die das Sagen haben – wenn »alternative Fakten« als alternativlos erklärt werden? Welche Propaganda-Algorithmen werden uns zukünftig manipulieren? Und lässt sich künstliche Intelligenz überhaupt beherrschen? Macht die Macht uns am Ende sprachlos? (Mit Illustrationen von Uli Bendick, Mario Franke, Jan Hoffmann und Michael Vogt).
Leseprobe
aus der Rede an die Waldameisen:
„…Meine fabelhaften, einzigartigen Freunde, meine prachtvollen Waldameisen, wir sind heute, an diesem sonnigen Herbsttag, zusammengekommen, um unseren Fleiß und den Tag der Ordnung zu feiern. Verdient ist verdient, möchte ich euch zurufen. Ihr habt wahrlich verdient, dass man euch umarmt. Stellt euch vor, ich hätte Millionen Arme und Beine, ich würde es tun, jawohl, ich würde jede kleine Arbeiterin an mich drücken und herzen, selbst auf die Gefahr hin, dass ich sie mit all meiner Liebe kaputtdrücken würde. Es wäre ein ehrenvoller Tod, nicht wahr? Und gewiss eine einzigartige Show. Das müsst ihr zugeben, in den Armen eures wunderbaren, starken Anführers zu sterben, wäre doch rattenscharf und tausendmal mehr wert als jeder lächerliche Orden, überreicht von einer dummen Königin.
He, Freunde, habt keine Sorge, am Tag der Ordnung reden wir nicht von Königinnen. Ich weiß doch, es hat nicht jedem in den Kram gepasst, dass ich das Thema angepackt habe. Aber glaubt mir, es war absolut notwendig mit ein paar überflüssigen Traditionen zu brechen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Wir sind ein moderner Staat und brauchen keine Königinnen mehr, darum haben wir sie entsorgt. Doch ich verspreche euch, ich zeige mich großmütig und lasse sie in Frieden ruhen, dort wo ihr sie begraben habt und wo niemand mehr hingehen möchte, um ein lächerliches Blümlein abzulegen. Diese elenden Königinnen haben uns hintergangen und bestohlen, sie waren korrupt, verlogen und falsch. Sie waren Verräterinnen, und wenn ich das mal so sagen darf, sie waren alte, ausgediente Vetteln. Ihr versteht mich? Ja, ihr wisst, was ich damit sagen will. Oh, ihr seid so gut, ihr versteht euren wunderbaren Anführer, euren liebenden Vater. Ihr habt alles richtig gemacht. Ihr habt euch unter meiner Führung von den Königinnen und ihrem kriminellen Hofstaat befreit. Das war eine historische Tat. Grandios, meine Freunde, einfach grandios!“ etc…
Anmerkung der Autorin:
„Lernen Sie Alexa kennen. Alexa ist ein cloudbasierter Sprachdienst. Sie lässt sich ganz einfach benutzen – stellen Sie ihr einfach eine Frage. Bitten Sie Alexa z. B. Musik abzuspielen, jemanden anzurufen oder Wecker und Timer zu stellen. Stellen Sie Fragen, rufen Sie Ihren Kalender, den Wetterbericht, die Verkehrsnachrichten oder Sportergebnisse ab, verwalten Sie To-do-Listen, steuern Sie Smart Home-Geräte und mehr. Egal ob zuhause oder unterwegs – Alexa wurde entwickelt, um Ihr Leben leichter zu machen.“ So steht es bei Amazon und diese Plage hat absolut nichts mit mir und meinem Namen zu tun. Wenn ich meiner Familie das Leben leichter mache, dann sieht das anders aus. (Muss ich jetzt nicht im Detail aufführen. Verkehrsnachrichten und Sportergebnisse sind es jedenfalls nicht). Als mich meine Eltern getauft haben, war nicht abzusehen, dass sie mich mit einem Namen ausstatten, der eines Tages die halbe Welt dirigiert und ausspioniert. Eigentlich müsste ich meinen Namen ändern. Aber wieso eigentlich konsequent sein, hat schon Enzensberger gefragt. Also ärgere ich mich und mache einfach weiter. Schreibe weiter. Zum Beispiel einen Text, den ich in der Anthologie „Macht & Wort“ veröffentliche. Rede an die Waldameisen! Viel Vergnügen und herzlichen Gruß, Eure Alexa